Publikation: Change Management für Hochschulen – Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung

Publikation: Change Management für Hochschulen – Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung

Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung

Das Hochschulsystem widersetzt sich der digitalen Transformation, trotz umfangreicher Investitionen in komplexe IT-Systeme. Strategieplanung der Hochschule(n) wird häufig getrieben von technologischer Innovation und dem Bemühen relevante Trends aufzufangen. Das nachhaltige Verankern digitaler Praktiken in Lehre, Forschung und Verwaltung setzt aber eine ganzheitliche Organisationsentwicklung voraus. Agile Entscheidungsprozesse ohne einen robusten Ordnungsrahmen für alle Aktivitäten bleiben ungerichtet und führen zu digitalem Wildwuchs. Wir raten deshalb zu einer spezifischen Methodik für die Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung.

Laden Sie jetzt die ausführliche Fassung dieses Fachartikels herunter, der am 30. September 2019 in der Zeitschrift „Wissenschaftsmanagement“ (1/19, S. 47-51) erschienen ist.

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Hochschulstrategien für Digitalisierung enden häufig als Haushaltsdebatten, weil zahlreiche Gestaltungsvorschläge auf begrenzte Ressourcen treffen. Anforderungen der Einzeldisziplinen sind nicht leicht zu vereinen mit Handlungsimperativen für umfassende Digitalisierung in Forschung, Lehre und Verwaltung. Für ergebnisorientierte Diskussionen hilft deshalb zunächst eine gemeinsame Sprache.

So geschehen im Sommer dieses Jahres während eines Expertenworkshops an einer Schweizer Fachhochschule. Es ging in einer Frühphase der Strategieentwicklung darum, zukunftsfähige Weiterbildungsprogramme im Bereich „Geschäftsprozesse und IT“ zu diskutieren. Neben dem aktuellen Stand der relevanten Forschung brachten die Anwesenden differenziertes Praxiswissen und umfangreiche Lehrerfahrungen ein. Mit dem in der Vorstellungsrunde spürbaren Enthusiasmus hätte man zusammen ein Start-Up gründen können.

Dann der Vorschlag, für verschiedene Arbeitsgruppen doch konzeptionelle Grundlagen zu klären. Worüber sprechen wir, wenn wir von Digitalisierung der Hochschulen reden? Die Reaktion war einhellig: Amüsierte Zustimmung, gefolgt von abwartendem Schweigen. In den diversen Aufgabenfeldern – Curriculum, Didaktik, Lernmaterial, IT-Infrastruktur, Verwaltung, Marketing – steht Digitalisierung als Chiffre für jeweils konkrete, aber ganz unterschiedliche Effekte. Entscheidungen über das digitale Leistungsportfolio der Gesamtorganisation erfordern jedoch eine geteilte Arbeitsdefinition.

In der digitalen Hochschulpraxis fehlt diese Grundlage meist. Rechenzentren und Fachabteilungen beschaffen auf Basis der eigenen technischen Anforderungen spezialisierte Tools von Alumniportal bis Zeiterfassung. Aktuelle Untersuchungen zeigen, wie hochschulinterne Prozesse dadurch insgesamt aufwändiger werden und sowohl Transparenz als auch Flexibilität verlieren. Stattdessen schaffen inkompatible Insellösungen häufig Mehrbelastung und Unsicherheit für Lehrende, Studierende, Wissenschafts- und Verwaltungspersonal gleichermassen.

Parallel verschärfen kurze Innovationszyklen den Entscheidungsdruck in allen Kernbereichen der Hochschule. Digitale Leistungsfähigkeit wirkt in Forschung, Lehre und Verwaltung gleichermaßen reputationsbildend. Lehre soll heterogenen Kohorten die digital literacies der „Industrie 4.0“ vermitteln. Digitalisierte Forschung erfordert topmoderne Infrastruktur und belastbare Richtlinien. Innovative Verwaltungsprozesse müssen anschlussfähig bleiben für ein hochreguliertes Umfeld im öffentlichen Dienst. Das Versprechen von Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung gerät so leicht aus dem Blickfeld.

Agilität fördern, durch Rahmensetzung gestalten

Im Frühjahr 2019 befragten wir mehr als 400 Führungskräfte aus DACH-Hochschulen, wie sie auf Organisationsebene mit den Herausforderungen von Change Management umgehen. In den Antworten zeigt sich, wie der Enthusiasmus für digitale und andere Neuerungen zunehmend der Skepsis gegenüber technikgetriebener Innovation weicht. Beteiligte und Betroffene stellen gewachsene Ansprüche an eine gründliche Vorbereitung, rechtzeitige Beteiligung und kommunikative Begleitung. Die strategische Planung sowie eine angemessene Ausstattung mit Kapazitäten während der Implementierung halten über 90 Prozent der Befragten für Erfolgsfaktoren.

Nur 15 Prozent bewerten jedoch die Projektabwicklung in ihren Hochschulen als professionell, transparent und ergebnisorientiert. Workshops zur Bedarfsermittlung werden ebenso vermisst wie angemessene Schulungsangebote. Ressourcen stehen für das Projektmanagement bereit, aber Betroffene sollen Veränderungen nebenbei zu bestehenden Aufgaben bewältigen. Zudem verlieren Projekte an Glaubwürdigkeit, wenn die Leitungsebene nicht konsequent digitales Handeln vorlebt.

Der Wunsch nach einer Art digitalem Fünfjahresplan ist verständlich. Aber eine top-down Komplettstrategie kann nicht Schritt halten mit der Dynamik technischer Entwicklungen. Das gleichberechtigte Nebeneinander fachspezifischer Lehr- und Forschungsmethoden widerspricht standardisierten Best Practices. Welche Instrumente eignen sich also für strategisches Change Management der Hochschule(n)?

Ein systemischer Blick auf die Organisation Hochschule in ihrem Umfeld hilft diese Frage in konkreten Praxisprojekten zu beantworten. Voraussetzung ist dabei auf Leitungsebene eine Grundhaltung, welche digitale Transformation nicht als Selbstzweck versteht, sondern Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung für die Hochschule auffasst.

Digitalisierung als Werkzeug der Qualitätsentwicklung

Ausgangspunkt sind die strategischen Ziele der Hochschule, um spezifische Digitalisierungsentscheidungen in einen bestehenden Rahmen organisch einzubetten. Entscheidungen über den Prozess der Strategieentwicklung und angemessene Formen der Beteiligung für verschiedene Stakeholder sind das Ergebnis dieser Initialisierungsphase. Meist identifiziert ein langfristiges Leitbild bereits das Hochschulprofil und formuliert Zielparameter für spezifische Teilstrategien der Institution. Innerhalb dieses Gesamtprofils lassen sich entsprechende Handlungsräume für die verstärkte Berücksichtigung digitaler Transformationsprozesse gezielt herausarbeiten.

Für messbare Ergebnisse in der Gesamtorganisation ist das Engagement der Leitungsebene dabei notwendig, aber allein nicht ausreichend. Ein operatives Projektteam sollte neben dem Management mit weiteren Hochschulmitgliedern besetzt werden, die sowohl über die relevante wissenschaftliche Expertise und umfangreiche Erfahrung im Praxistransfer verfügen, als auch mit Strukturen und Prozessen der eigenen Organisation vertraut sind.

Das Hinzuziehen externer Fachberater bietet Zugriff auf effiziente Arbeitsmethoden, die sich in ähnlich gelagerten Projektvorhaben bewährt haben. Daneben bewahrt inhaltliches Coaching durch externe Sparringspartnern vor häufig gemachten Fehlern. Das gesamte Projektteam kann sich auf die inhaltlichen Aspekte konzentrieren, sofern erforderliche Kapazitäten – für das Vor- und Nachbereiten von Workshops, ausführliche Interviews mit Stakeholdergruppen sowie eine korrekte Projektdokumentation – als externe Dienstleistungen verfügbar gemacht werden.

Die Investitionen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass digitale Transformation um ihrer selbst willen betrieben leicht zu einem teuren Vergnügen wird. Im Ergebnis empfindet Hochschulpersonal solche ungesteuerten Digitalisierungsaktivitäten zunehmend als kontraproduktiv oder sogar bedrohlich. Der verantwortungsvolle Beitrag der Hochschulen zur digitalen Wissensgesellschaft umfasst nicht nur das kritische Betrachten technologischen Fortschritts, sondern auch seine zielgerichtete Nutzung. Ganzheitliche Qualitätsentwicklung unter digitalen Bedingungen begünstigt die strategische Transformation der Hochschulen, wo technikgetriebene Digitalisierungsstrategien scheitern.

 

Laden Sie jetzt die ausführliche Fassung des Fachartikels herunter, der am 30. September 2019 in der Zeitschrift „Wissenschaftsmanagement“ (1/19, S. 47-51) erschienen ist. Die vollständige Auswertung der Berinfor-Befragung „Veränderungen in Hochschulen erfolgreich gestalten“ wird im Oktober 2019 publiziert und kann dann wie die Studien der vergangenen Jahre hier heruntergeladen werden. Melden Sie sich an zu unserem Hochschulevent am 13. November 2019 in Zürich, um das Jahresthema „Change Management für Hochschulen“ zu vertiefen.